Dienstag, 22. September 2009

„Krebsfrauen hatten schon immer gleich einen Zugang zu mir, merkst du das?“

Ich muss sagen die Zeit verfliegt nur so und trotzdem ist noch keinerlei Alltagsroutine eingekehrt (außer beim Essen, daran hab ich mich erstaunlich schnell gewöhnt :) )
Das vergangene Wochenende ging schon mal gut los mit der ersten Austauschstudenten-Party am Freitag Abend.
Wir machten uns also alle in kleinen Grüppchen auf den Weg in die kampuseigene Partybar, zu anständiger Uhrzeit natürlich, denn was sich in Deutschland über einen Zeitraum von 21.00 – ca. 04.00 Uhr entwickelt muss man hier bis 24.00 Uhr „abspulen“ um nicht vor verKETTETEN Wohnheimtoren zu enden. Da Jannik, Michael, Robert, Corinna und ich aber noch Hunger hatten gingen wir erst noch mal los um in unserem „VIP-Restaurant“ zu speisen. Das Restaurant wird deshalb liebevoll VIP-Restaurant von uns genannt weil uns der Chef da schon kennt und uns VIP-Karten gegeben hat, Vorteil: 12% Rabatt aufs Essen. Bei durchschnittlich 1,70 € pro Kopf weiß man das selbst als Westler zu schätzen, lach! Da die Zeit wie schon gesagt gegen uns arbeitete, bestellten die Jungs zum Essen erstmal zwei relativ kleine Flaschen bai jiu (das ist der Überbegriff für den harten Schnaps) die prompt mit einem fingerhutgroßen Becher (ohne Untertreibung) für jeden gebracht wurden. Ja, und wie das so läuft schenkten die Jungs immer zügig nach und Coco und ich mussten mitziehen weil unser geforderter Mädchenbonus ständig abgelehnt wurde (Zitat: Du kommst doch aus Bayern, das verträgst du doch!). Nach den ersten beiden Flaschen, und ich muss dazu sagen, das war der schlechteste Fusel, den mein verwöhnter Gaumen je zu schmecken bekam, wurden noch zwei weitere bestellt und langsam wurde es lustig. Das führte dann dazu, dass Coco mit Robert zu verhandeln begann, dass wir Mädls nur weiter trinken wenn er drei von den Chilischoten direkt isst (zur Erinnerung, Robert war der bekennende nicht-scharf-Esser). Robert aß also zwei Schoten und wir tranken nochmal zwei Fingerhütchen voll. Gut hat er sich gemacht, der Robert, Respekt! :)
Angemessen aufgelockert kamen wir dann bei der Party an, die schon in vollem Gange war. Ein Großteil der Austauschstudenten aus unserem Wohnheim war vertreten, die Stimmung war sehr gut und man hat sich mit fast jedem mal in irgendeiner Sprache unterhalten und Nummern ausgetauscht.
So gegen zwölf machten sich dann noch einige in die hiesigen Clubs auf. Bei mir gabs allerdings akkuten Nachholbedarf an Schlaf weshalb ich dann mit dem Rest zurückging um endlich ins Bett zu kommen (und satte 12 Stunden durchzuschlafen).

Der Unterricht setzte sich am Montag in nun bekannter Weise fort, es gibt regelmäßig Hausaufgaben und ne Menge neuer Wörter. „MC Tian“ trägt nach wie vor zu unserer Unterhaltung bei hat sich aber inzwischen als angenehme, fähige Lehrerin erwiesen. Der Humor ist allerdings immer noch etwas befremdlich. Frau Li erzählte uns während einer Stunde, dass man vor ein paar Wochen eine Leiche im Müll am Südtor des Kampus gefunden habe, von der man dann eine Vermisstenanzeige aufhing um sie identifizieren zu können. All dies erzählte sie mit der Ausstrahlung einer 1A Glücksradfee und lachte dazwischen immer wieder. Fazit: zu morbider Humor für uns verweichlichten Deutschen.

Weil das komplette Wochenende verregnet war und am Montag die Sonne (und erstmalig seit der Ankunft blauer Himmel!) rauskam strömte alles was Beine hatte nach draußen. Vilma, Agata und ich nutzten die Gelegenheit um zur Xiao Zhai zu fahren, eine Einkaufsstraße wo auch ein typischer Markt ist. Als erstes gingen wir allerdings zu nem Optiker, den uns Frau Chen empfohlen hatte, weil Vilma eine neue Brille und ich Kontaktlinsen brauchte. Der Sehtest war interessant, Gott sei Dank musste man die meiste Zeit einfach nur deuten, der Rest ging irgendwie auch so noch mit Chinesisch. Vilma suchte sich also eine neue Brille (todschick und knapp 50 € „teuer“) aus, die innerhalb von ca. drei Stunden angefertigt wurde und ich kaufte glücklich meine Linsen.

Auf dem Markt gabs dann fast alles von Unterwäsche, normaler Kleidung Taschen und Schals zu kaufen, selbstverständlich auch ne Menge wirklich gut gemachter Imitate. Trotzdem blieben wir sparsam und ich holte mir nur nen Schal sowie ne Gammelhose und nen Kapuzenpulli von Abercrombie (laut der Markenexpertin Agata tatsächlich echt und deshalb so günstig weil in Hongkong produziert).

Mittwoch Abend gabs dann auch noch Großes zu feiern da Jannik Geburtstag hatte. Standesgemäß haben wir nen kleinen Kuchen mit Kerzen organisiert, etwas Wodka-O und einen Profi Tischtennis Schläger als Geschenk. Außerdem konnte sich das Geburtstagskind noch über eine Ständchen unsererseits und ne Papierkrone freuen. Anschließend gingen wir zu zehnt noch ins VIP-Restaurant in das uns Jannik zum Essen einlud, lecker wie immer!

Am Donnerstag wurde uns dann offiziell verlesen, dass man den Kampus nach Verlassen nur mit einem Studentenausweis oder ähnlichem wieder betreten konnte, da auf den Kampussen der anderen Universitäten schon die Schweinegrippe kursiert. Hinzu kamen noch Gerüchte, dass sich in Xian uigurische Rebellen aufhielten (ich erinnere an die Aufstände in Urumqi vor ca. zwei Monaten), die wahllos Menschen mit dreckigen Nadeln stechen würden und so mit HIV und anderen Krankheiten infizieren. So absurd das auch klingt, von allen Seiten hat man das zu hören gekriegt. Wir gehen allerdings davon aus, dass es reine Panikmache ist um uns davon abzuhalten ständig den Kampus zu verlassen. Sollte nämlich die Schweinegrippe auch auf unserem Kampus auftreten müssen anscheinend die Gebäude abgeriegelt werden und niemand darf mehr raus und das will natürlich niemand!

Am Nachmittag durfte ich dann noch einen von Agatas Bekannten kennen lernen, der selber fünf Jahre in der Schweiz gelebt hat und deshalb ganz anständiges Deutsch spricht. Weil wir eventuell eine eigene Wohnung beziehen wollen und das für vier Personen leider nicht so einfach ist,wie man weiß sind die meisten chinesischen Familien nur dreiköpfig, hat er (Name dummerweise schon wieder vergessen, typisch) sich netterweise Zeit genommen um mit uns online Wohnungen zu suchen. Wir wurden tatsächlich fündig und Agatas Bekannter hat schon für den selben Tag einen Termin vereinbart. Die Wohnung war riesig, 270 qm auf zwei Stockwerke verteilt, zwei Badezimmer für 3300 Yuan pro Monat (ca. 330€). Da die Wohnung allerdings nicht möbliert war und zu groß war um sie selber in nem finanziell sinnvollen Rahmen einzurichten kam sie nicht in Frage. Nächste Woche soll die nächste Besichtigung stattfinden, ich werd euch natürlich auf dem Laufenden halten und hoffentlich somit bald mal ordentliches Internet haben! *vorfreu*

Freitag Mittag waren wir zum Deutsch-Stammtisch in einer der Mensen verabredet. Dort treffen sich die Chinesen, die hier Deutsch lernen wollen zusammen mit ihrem deutschen Lehrer Fritz*. Da wir alle natürlich auf der Suche nach guten Tandempartnern sind nutzten wir also die Gelegenheit zum Kennenlernen. Der Nachmittag sollte sich noch als recht interessant herausstellen, da sich die meisten irgendwann verabschiedeten und ich schließlich mit Fritz alleine war und wohl behaupten kann, dass dieser Mann nicht von dieser Welt ist. Fritz ist, wie er sagt 50 Jahre alt, man würde ihn allerdings locker auf Mitte 60 schätzen, Junggeselle und seit einem Jahr in China um hier Deutsch zu unterrichten. Fritz hat so seine ganz eigenen Theorien, was das Leben angeht. Aussprüche wie Schicksal, Kindheitstrauma, universal, anatomische Bewegung beim Schrieben der chinesischen Schriftzeichen, wir Deutschen sind ja so und so, Krebsfrau und Aszendent fielen häufig. An vieles kann ich mich schon gar nicht mehr erinnern da die Unterhaltung sich bis 17.00 Uhr ausdehnte (Beginn war ca. 12.15 Uhr), die skurrilste war, die ich je erlebt habe und ich relativ wenig dazu beitragen musste/konnte. Fritz glaubt ganz klar an Sternzeichen und erzählte mir, dass er gleich gemerkt hätte, dass mein Sternzeichen Krebs ist, denn die Frauen in seinem Leben, die von Bedeutung waren, waren alle Krebsfrauen. Ich hätte sofort einen Zugang zu ihm und er freue sich mich kennen lernen zu dürfen, er fände es so faszinierend welche Wirkung ich auf ihn habe, nur deshalb weil Krebs mein Sternzeichen ist. Er ist ja Stier mit Aszendent Krebs, deshalb funktioniert das so gut. So richtig beschreiben kann ich ihn leider nicht, denn Fritz muss man tatsächlich erleben. Die letzte Stunde der Unterhaltung, in der er mir von der Technoszene der späten 80er Jahre in Deutschland erzählte (die habe er aktiv miterlebt und bedeutende Artikel dazu verfasst, als alles noch in den Kinderschuhen steckte) habe ich damit verbracht auf den richtigen Zeitpunkt zu warten um elegant die Unterhaltung zu beenden, aber ich kann mit Recht behaupten: diesen Zeitpunkt GAB ES NICHT! Normalerweise macht man das ja am Ende eines Themenkomplexes, wenn alles dazu gesagt ist, was gesagt werden muss, und nach dem letzten Satz dazu mal Luft geholt wird. Aber es gab kein Ende und auch kein Luftholen, es war wie ein einziger Satz, der nicht zu Ende ging. Etwas dreist nahm ich dann also irgendwann (trotzdem immer noch höflich versteht sich) meine Tasche zur Hand und rückte den Stuhl zurück – eindeutige Zeichen. Und endlich, er nahm auch seine Sachen und ohne mit dem Reden aufzuhören gingen wir zum Ausgang. Als ich ihn fragte wo er denn hinmüsse deutet er in die entgegengesetzte Richtung von meiner und ich atme auf. Ich meinte ich müsse in die andere Richtung und er geht den ersten Schritt genau in diese Richtung, er würde gerne mal diese Seite des Kampus sehen, also möchte er mich noch zum Wohnheim begleiten. Dort angekommen (das „Gespräch“ ging natürlich unterwegs weiter) meint er dann er wisse nie wie er sich von Krebsfrauen verabschieden solle, ganz normal antworte ich, schüttle ihm die Hand, verabschiede mich und gehe etwas zügiger als nötig ins Wohnheim. Seitdem erhalte ich regelmäßig Nachrichten von ihm (ich gab ihm zu Beginn des Treffens meine chin. Nummer und E-Mail Adresse, da er schon länger versucht Brieffreundschaften zwischen FU Studenten und seinen chinesischen Studenten zu organisieren und ich ihm angeboten habe den Kontakt zwischen ihm und meinem Dozenten in Berlin herzustellen) ob wir nicht zusammen irgendwas machen wollen. Ja, das klingt nicht nur in euren Ohren unheimlich, wir finden das hier auch alle recht seltsam. Aber kein Grund zur Beunruhigung, der Kontakt wird meinerseits erstmal weitgehend unterbunden.

Noch etwas irritiert von dieser Begegnung der anderen Art organisierten wir Deutschen für Freitag Abend noch ne kleine „Party“ bei uns im „Garten“. Die Gruppe wurde recht ansehnlich und die ein oder andere Wodkaflasche wurde geleert, für mich gabs natürlich etwas Gin (leider mit Sprite denn „Zai Zhonguo meiyou Tonic Water“, so die Walmartangestellte, heißt so viel wie „in China gibt’s kein Tonic Water“, wir gucken nochmal in der METRO, vielleicht werden wir da fündig...). Gegen vier Uhr waren dann nur noch wenige fit, bis dahin hatten wir die Feier nach drinnen verlegt. Satoshi (Schreibung?!?), der kleine Japaner brachte dann auch noch so n scharfes japanisches Gesöff und nötigte vor allem Pierre (Franzose) und Maria (Italienerin) mit zu trinken. Recht betrunken, ums mal so zu sagen, schaffte Maria es dann ihren Schlüssel im Türschloss abzubrechen und nachdem der Nachtwächter nicht auffindbar war stieg die gute Marie einfach mal über den „Rezeptionsthresen“ ging in das kleine Büro und holte mal eben alle Ersatzschlüssel aus den Schubladen und guckte sich noch etwas um. Satoshi versuchte unterdessen mit einem der Schlüssel, die sie aus dem Büro hatten die Haustür aufzusperren. Etwas beunruhigt standen Andi (mein lieblings-Schweizerdeutscher, der mir jetzt auch noch n bisschen Schweizerdeutsch beibringt, hop Schwiiiiz sag ich da nur!) und ich in der Eingangshalle und gingen dann lieber mal ganz flott ins Bett, denn da hängen, wie üblich, überall kleine, hübsche Überwachungskameras. Wie sich herausstellte war alles halb so wild, der Nachtwächter konnte irgendwann noch organisiert werden und sperrte Marias Zimmer schließlich auf.
Gelungene Party, riesen Spaß gehabt!

In diesem Sinne, alles Liebe an meine Deutschen, bis zum nächsten mal wenn es wieder heißt „Kurioses aus dem Land der Mitte“ :)))


*Name von der Redaktion geändert ;)

1 Kommentar:

  1. So so, Stier und Krebsfrau.. so ein Zufall.. und trink nicht so viel, ist nicht gut für dich :D

    lg,

    Tom

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